Sibylle Leifer (*1943) und »Das Paradies der Katzen« von Èmile Zola

Kürzlich konnte dieser Farbholzschnitt von Sibylle Leifer für das Archiv von Kater Paul erworben werden:

Sibylle Leifer, Artemisia, Farbholzschnitt, Handabzug, aus dem Zyklus: Leonard's Bilderbogen, 2003

Dabei fiel mir ein, dass ein wunderschönes, von Sibylle Leifer herausragend illustriertes Buch mit dem Text Das Paradies der Katzen von Émile Zola, 2006 im Wolbern-Verlag erschienen ist:

Der Text von Zola erzählt die Geschichte eines verzärtelten und verwöhnten Angora-Katers, der sich in der behaglichen Wohnung seines Menschen nach der Freiheit auf der Strasse sehnt. Als er dann aber die Gelegenheit zum ausbüchsen bekommt und den Überlebenskampf der Straßenkatzen erlebt, flüchtet er schnell wieder in sein warmes Heim, in sein Paradies der Katzen, wie Zola ironisch bemerkt. Es ist eine sehr nachdenklich stimmende Geschichte, die Sibylle Leifer außergewöhnlich schön und eigensinnig illustriert hat.

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Joachim Rágóczy – ein fast vergessener Maler und Katzenfreund

Joachim Rágóczy, Katzenskizze, Aquarell, um 1925, Privatbesitz

Dieses ausdrucksstarke Aquarell von Joachim Rágóczy (1895-1975) zählt zu einem vermutlich mehrere Tausend Katzenbilder umfassenden Werkes des heute (zu Unrecht) fast vergessenen Malers, der gemeinsam mit Hannah Höch, George Grosz und Karl Hubbuch – um nur einige zu nennen – bei Emil Orlik studierte, dem er bis zu dessen Tod 1932 als Privatsekretär und Assistent diente. Darin liegt paradoxerweise auch der Grund für Rágóczys geringer kunstgeschichtlicher Präsenz: Er blieb immer im Schatten seines Meisters, hat aber dennoch ein beträchtliches Werk geschaffen, das sich keinesfalls nur um Katzen drehte, die aber hier ausschließlich interessieren.

Foto: Engelhardt Hübschmann, 1927, entnommen aus: »Joachim Rágóczy 1895-1975«, Katalog der Galerie Bodo Niemann, 1989

Viel ist über das Verhältnis von Rágóczy zu Katzen nicht bekannt. Immerhin hat Hannes Schwenger in einem Textbeitrag zu dem o.g. Katalog der Galerie Bodo Niemann folgendes bemerkt: »Neue künstlerische Anregungen geben gelegentlich noch Reisen, die geliebten Katzen …« Und der Galerist Michael Bühnemann, der Rágóczy mehrfach ausgestellt hat, berichtet, dass Rágóczy einen erheblichen Teil seines Lebens mit Katzen zusammengewohnt hat. In Rágóczys Briefen von der Nord- und Ostsee an seine Frau Irma finden sich allerdings einige Andeutungen über Katzen. So sorgt er sich am 6. August 1930 aus Langballigau, einem kleinen Küstenort östlich von Flensburg, streng über das Sexualleben seiner daheimgebliebenen Katzen: »Wenn Minka jetzt mit ihrem eigenen Sohn anfängt, so muss Priebel kastriert werden. Solche Blutschanden dulde ich nicht.« Gut einen Monat später heißt es von dort in einem anderen Brief: »Ich habe, da es Sonntag ununterbrochen regnete, die kleine Dittmer gemalt, das Bild ist beinahe fertig und ist nicht schlecht geworden. Die Kleine ist jetzt elfeinhalb, ganz blond, rosa Kleid mit blaugestreifter Schürze, ich habe sie mit der Katze gemalt, die sie im Arm hält.« Nach dem genannten Ölbild entstand im gleichen Jahr dieser Farbholzschnitt:

Mädchen mit Katze (Langballig), Farbholzschnitt, um 1930, entnommen aus: »Joachim Rágóczy, Mitmachen kann ich da nicht – Malerbriefe von Ost- und Nordsee 1928-1939«, Museumsberg Flensburg, 2007

Am 18. September 1929 erzählte Joachim Rágóczy seiner Frau von einem nicht-alltäglichen Erlebnis: »Heute morgen – ich war schon halb acht Uhr auf – kam die Katze, als ich Wasser holte, schnurrend und sprang an mir hoch. Ich sah im Gras die Reste einer blutigen Mäusemahlzeit, die Katze freute sich so und hat mir dabei die Hände voll Mäuseblut beschmiert, dass Frau Möller ganz ängstlich fragte, was ich nur getan hätte.« Und am 13. August 1933 berichtet er aus Nidden von der Kurischen Nehrung: »Gestern abend, es regnete in Strömen, nahm ich mir einen Kater mit ins Zimmer, um ihn zu zeichnen.«

Katze, Farbholzschnitt, 1953, Foto: Privatarchiv Kater Paul

So bleiben neben wenigen Textbelegen vor allem die vielen Bilder, Aquarelle und Holschnitte, die Joachim Rágóczys Zuneigung zu Katzen belegen – und seine Vertrautheit mit ihnen, ohne die solche Potraits nicht hätten entstehen können.

Kater, Aquarell, 1930, Foto: Privatarchiv Kater Paul

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Wenn Menschen Gott spielen

In der ersten Druckausgabe des bisherigen online-Magazins Pfotenhieb findet sich ein sehr lesenswerter Artikel über die Zucht von Wildkatzenhyriden. Lesenswert deshalb, weil er sich für ein Katzenmagazin außergewöhnlich kritisch mit der planvollen Kreuzung von Haus- mit Wildkatzen auseinandersetzt.

Wovon ist hier die Rede? Auf der Suche nach immer neuen Zuchtsensationen sind Katzenzüchter vor einiger Zeit auf die Idee gekommen, Hauskatzen mit Wildkatzen zu verpaaren, um sogenannte Wildkatzenhybriden zu schaffen. Die Bengal (Kreuzung der wilden südostasiatischen Bengal- oder Tigerkatze mit Hauskatzen) oder die Savannah (Kreuzung des afrikanischen Servals mit einer Hauskatze) sind beispielsweise längst von vielen Katzenzuchtverbänden als eigenständige Rassen anerkannt.

In jüngster Zeit plante ein deutsch-österreichisches Zuchtprojekt die Kreuzung aus dem afroasiatischen, wilden Karakal mit einer Maine Coon-Katze. Karakat (oder Caracat) ist der Name dieser absurden Schöpfung. Man sollte sich in diesem Zusammenhang einmal dieses faszinierende Video über das Jagdverhalten des Karakal anschauen:

Pfotenhieb beschreibt in dem oben erwähnten Artikel sehr ausführlich die Gefahren dieser (und anderer) Hybridenzucht: Durch den Größenunterschied der verschiedenen Arten kann das Austragen eines Hybriden leicht zum Tod der kleineren Mutterkatze kommen. Die unterschiedliche Tragedauer der an der Zucht beteilgten, verschiedenen Arten kann zu einem unreif geborenen Hybridenkitten ohne Saugreflex führen. Wissenschaftlich bewiesen sei ferner die häufig vorkommene Sterilität der Nachkommen. Und außerdem kann das genetisch vorhandene Wildkatzenwesen auch von inzwischen gezähmten Elterntieren weitervererbt werden. Warum, so fragt man sich, kommen also Menschen auf die Idee, so unterschiedliche Arten miteinander zu verpaaren?

Der Kommentar zu einem ganz anders gearteten Zuchterfolg in der Welt vom 2. Dezember 1998 gibt darauf eine Antwort: »Eine Züchterin aus Hessen hatte damit geworben, taube Katzen zu verkaufen. Diese seien geduldiger im Umgang mit Kindern. Das Amtsgericht Kassel verurteilte sie wegen einer vorsätzlichen Qualzucht zu 500 Mark Geldbuße. Tiere sind dem Menschen gleichwertige göttliche Geschöpfe, befand einst der heilige Franz von Assisi, der Schutzpatron der Tiere. Doch seit der Mensch begann, wilde Tiere zu zähmen, hat er den Ehrgeiz, selbst Gott zu spielen und seine tierischen Hausgenossen nach seinen Vorstellungen zu formen. Dabei fasziniert ihn gerade das Extreme und Abnorme. Auf die natürlichen Bedürfnisse der Tiere wird keine Rücksicht genommen.«

Sehr ausführlich hat sich Anika Abel auf ihrem Blog Haustiger mit der Karakat-Zucht beschäftigt: http://bit.ly/A73GTG

Zum Thema Zuchtkatzen und Qualzucht sei auf drei Artikel in diesem Blog verwiesen:

https://katerpaul.wordpress.com/2012/01/20/uber-katzenzucht-13/

https://katerpaul.wordpress.com/2012/01/20/uber-katzenzucht-23/

https://katerpaul.wordpress.com/2012/01/22/uber-zuchtkatzen-33/

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Ein Bilderbuch von Else der Katze

Ein in Text (von Agi Habryka) und Illustration (von Katharina Langer) außergewöhnliches Katzenbilderbuch ist im vergangenen Jahr im kunstanst!fter verlag erschienen: Eine Geschichte von Else der Katze. Die Katze Else ist dick, sehr dick, ja sogar fett, so fett, dass sie keine Ratten und Mäuse mehr jagt, auch das andere Getier im Haus gänzlich in Ruhe lässt und nur noch träge vor ihrem Fressnapf liegt. Das gefällt den anderen Tieren (auch den Mäusen) ganz und gar nicht, denn eine nahezu bewegungslose Katze verbreitet ziemliche Langeweile: Kein Jagen, keine Unruhe, keine Bewegung. Wozu ist die Katze eigentlich da? fragen sich die Tiere und ersinnen einen Plan. Sie verschließen den Schrank mit Elses Futter und beobachten, was passiert. Und es geschieht allerhand! Aber das soll hier nicht verraten werden. Hier wird nur noch Elses Gesicht gezeigt, nachdem ihr Magen laut zu knurren begonnen hat …

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Katzen und Mäuse, einmal anders betrachtet

Abbildung aus: Ulrich Klever, »Knaurs großes Katzenbuch«, München, 1985

Dieser skurrile Kupferstich mit dem Titel »Wie die Mäuse die Katze begraben« stammt aus Rußland und wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts produziert. Mäuse ziehen und begleiten einen Leichenwagen, in dem eine tote, aber sicherheitshalber noch gefesselte Katze liegt. Die Mäuse-Eskorte macht einen munteren Eindruck: Man führt Speisen, Getränke und Eßbesteck mit sich, trägt Narrenkappen, musiziert mit Zimbeln, Trommeln und Trompeten, tanzt ausgelassen oder schmaucht ein Pfeifchen. Der Leichenzug läßt es sich gut gehen.

Diese »verkehrte Welt«, die die wirklichen Herrschaftsverhältnisse zwischen Katzen und Mäusen umkehrt, hat durchaus politische Implikationen. Wenn man diesen Bilderbogen genauer betrachtet, stellt man fest, daß die Darstellung der Schnurrbarthaare der Katze auffällig an eine bestimmte Person der Zeitgeschichte erinnert – nämlich an den russischen Zaren Peter den Großen. Auf dem Bilderbogen wird also nicht lediglich eine Katze bestattet, sondern auch (zu Lebzeiten!) ein politischer Despot.

Im Karneval wird ebenfalls eine »verkehrte Welt« gelebt. Solange er dauert, ist keine Sitte und kein Brauch vor Lächerlichkeit gefeit, und selbst die höchsten Persönlichkeiten müssen darauf gefaßt sein, verspottet zu werden. (Wir werden das in zwei Wochen wohl erleben.) In vordemokratischen Zeiten hatte der Karneval denn auch eine Ventilfunktion: Einem Narren wurde die Krone aufgesetzt und er übernahm für Tage die Herrschaft. Der heutige Sturm auf die Rathäuser und das Abschneiden der Krawatten zur Weiberfasnacht ist noch ein Überbleibsel dieser kurzfristigen Umkehrung der Herrschaftsverhältnisse.

Eine aktuelle Anzeigenkampagne der Schweizer Medien greift diese historischen Bezüge auf:

Sie zeigt ebenfalls eine »verkehrte Welt« und will damit Aufmerksamkeit für ihr Anliegen schaffen. In dem Katze-Maus-Motiv und fünf weiteren Kampagnenmotiven werden natürliche Fressfeinde gezeigt. Nur wird in den Bilder der in der Natur Unterlegene als Überlegener präsentiert und damit Irritation, also Aufmerksamkeit erzeugt. Die weiteren Motive der Kampagne kann man sich hier anschauen:

http://www.schweizermedien.ch/index.php?id=318

Ich denke, man sollte hier nicht gleich mit der großen Keule »Katzenfellhandel« zuschlagen. (Die nicht oft genug in die Hand genommen werden kann, um hier nicht mißverstanden zu werden.) Aber man verrät seine Ideen nicht, wenn man auch mal zwischendurch die Brille der Political Incorrectness aufsetzen und dabei lachen kann … Denn: »Das Gelächter ist«, nach Harvey Cox, »der Narren letzte Freiheit.«

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Colette

Die französische Schriftstellerin, Theaterkritikerin, Modejournalistin, Chansonette und Tänzerin Sidonie-Gabrielle Colette (* Saint- Sauveur-en-Puisaye 1873, † Paris 1954) besaß eine ausgeprägte Liebe zu Katzen. In einer ihrer bekanntesten Erzählungen, La Chatte, ist Alains junge Ehefrau Camille krankhaft eifersüchtig auf dessen Katze Saha. Nachdem ihr Versuch, die Katze umzubringen, fehlschlägt, entscheidet Alain sich für die Katze und verläßt Camille für immer. Colette hat seit ihrer Kindheit mit Katzen zusammengelebt. Die Lieblingskatze ihres Lebens, die sie 1926 auf einer Katzenausstellung in der Pariser Avenue de Wagram gekauft hatte, hieß La Chatte. Nach dem Tod der Katze im Jahr 1939 war Colette so untröstlich, daß sie sich keine Tiere mehr angeschafft hat. Ihr dritter Ehemann, der sechzehn Jahre jüngere Maurice Goudeket, berichtete darüber drei Jahre nach ihrem Tod in seinem Buch Colette: »Mit dreimonatiger Zwischenzeit erreichten zuerst die Katze, dann der Hund das Ende ihrer Tage und empfingen den Gnadenstoß, der den Menschen nur allzuoft verwehrt wird. Sie hatten uns dreizehn Jahre lang gehört. Nachmittags, wenn Colette arbeitete, kam die Katze und schlief, an ihre Seite geschmiegt. Dann und wann wachte sie auf, zupfte Colette beim Ärmel, schenkte ihr einen langen Blick voller Verzücktheit und Liebe und schlummerte wieder ein. Colette trug ihren Kummer mit gewohnter Zurückhaltung. Sie war nur einige Tage schweigsam. Aber Jahre später hörte ich sie noch manchmal seufzen: ›Ja, diese Katze . . .‹ Sie hat sich dann keine Tiere mehr angeschafft – man staunte darüber. Aber die Katze erwies sich eben als unersetzlich. Manche Tiere haben so eine ausgeprägte Persönlichkeit, daß, wo sie verschwinden, nur mehr Leere herrschen kann.« Colette wurde als erste Autorin in die Académie Goncourt, der Jury des bedeutendsten französischen Literaturpreises, berufen und bekam ebenfalls als erste Frau in Frankreich ein Staatsbegräbnis.

In diesen Tagen ist ein feines kleines Buch von ihr im Unionsverlag erschienen, das einige ihrer schönsten Texte über Katzen vereinigt und allen Katzenfreundinnen und Katzenfreunden dringend empfohlen werden muss. Nicht vielen Menschen ist es gegeben, sich in das Wesen der Katzen so innig einzufühlen und außerdem die Gabe zu besitzen, ihre Erfahrungen mit Katzen so eindrucksvoll, wortgewandt und präzise zu beschreiben. Es ist ein Buch, das in keiner gutsortierten Katzenbibliothek fehlen darf!

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Zappa, der Kater aus dem Zwiebelfisch

Der Zwiebelfisch ist seit Jahrzehnten weit über Berlin hinaus bekannt. Die 1967, also in den Jahren der Studentenunruhen gegründete und mit Plakaten und Originalwerken berühmter Künstler vollgehängte Kneipe am Savignyplatz ist seit eh und je ein Treffpunkt der (West-)Berliner Bohéme und schließt erst in den frühen Morgenstunden.

Im »Zwiebelfisch« am Westberliner Savignyplatz

Eines Tages beschloß Kater Zappa die Kneipe zu wechseln. Das ist nun schon acht Jahre her. Davor verkehrte er in einer gegenüberliegenden Gaststätte, wo es ihm wohl nicht mehr gefiel. Denn seitdem ist er der treueste Stammgast im Zwiebelfisch, in dem oft kein Sitzplatz freibleibt. In diesen Stunden, so auch gestern Abend, liegt der Geräuschpegel im roten Bereich, was Kater Zappa aber nicht zu stören scheint. Er sitzt dann oft auf einem hohen Podest an der Wand (siehe Foto) und schaut sich gelassen das muntere Treiben um ihn herum an oder läßt sich geduldig fotografieren.

Zappa, der Kater aus dem »Zwiebelfisch«

Wie man sieht, versteht es Kater Zappa, sich sehr fotogen in Szene zu setzen. Er läßt sich auch gern ein wenig streicheln. Bei Hunger oder Durst findet er seine entsprechende Versorgungsstation direkt neben dem Tresen. Wenn die letzten Gäste den Zwiebelfisch verlassen haben, ist auch seine Schlafenszeit angebrochen, die er in der Kneipe verbringt. Tagsüber begibt sich Zappa in der näheren Umgebung auf Inspektionstour. Längere Aufenthalte sind regelmäßig in einem Einrichtungsgeschäft und einer Apotheke eingeplant. Doch wenn im Zwiebelfisch der Trubel beginnt, findet sich Zappa wieder in der Kneipe ein. Man könnte ja was verpassen! Zehn Jahre ist Zappa inzwischen alt. Dem längst legendären Stammgast seien hiermit noch viele lange Nächte im Zwiebelfisch am Savignyplatz gewünscht!

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Über Zuchtkatzen (3/3)

Zuchtkatzen und Hauskatzen

Die überwiegende Mehrzahl der Katzenfreunde lebt mit der ursprünglichen, sich mehr oder weniger frei selbst vermehrenden Hauskatze zusammen. Nach ungesicherten Schätzungen bilden die Hauskatzen etwa 85% der feliden Population Europas. Deren menschliche Mitbewohner verfügen erst seit Facebook über nennenswerte Netzwerke. Im Gegensatz dazu unterhalten die Besitzer von Zuchtkatzen traditionell ein weitgespanntes Netz von nationalen und internationalen Verbänden, Verbandszeitschriften, ehren- und hauptamtlich Tätigen, Satzungen, Ordnungen und Zuchtstandards, regelmäßigen Zusammenkünften, Ausstellungen und sonstigen Formen strukturierter und hierarchisierter Kommunikation. Dieser unglaublich intensive, bestenfalls nutzlose, aber für die Katze leider hauptsächlich schädliche Aufwand, der hier betrieben wird, benötigt selbstverständlich eine Legitimation. Warum soll man so viel Zeit und Geld für die Zucht oder den Kauf einer Zuchtkatze investieren, wenn sich genügend Hauskatzen schnurrend auf der Welt tummeln?

»Wozu Hauskatzen vermehren?« lautet deshalb ein beliebtes Ablenkungsmanöver unter Züchtern und in deren Verbandsmitteilungen. Beim Versuch einer Antwort dieser rhetorisch gestellten Frage verweist man gern auf die vielen herrenlosen Streuner und die Katzen, die im Tierheim auf ein neues Zuhause warten. Auf die Idee, angesichts dieser Tatsache die Frage »Wozu Zuchtkatzen vermehren?« zu stellen, kommt man in diesen Kreisen offensichtlich nicht, denn die höhere Wertigkeit der Zuchtkatze steht ihnen außer Frage. Das planmäßige Vorgehen des Züchters (das Zuchtziel), die »Reinheit« der Rasse und der Stammbaum, das Dokument dieses nicht selten inzestuösen Geschehens – dies zusammengenommen soll die Zuchtkatze weit über die Hauskatze stellen, ihre Höherwertigkeit begründen und läuft im Kern auf ein felides Kastensystem hinaus, in dem die Zuchtkatzen den Rang der Brahmanen einnehmen und die Hauskatzen die Rolle der Parias. Dies stellt in aller Regel eine Umkehrung der sozialen Wirklichkeit der Züchter dar, die ihr Katzengeschlecht gern mit Adelsprädikaten und hochtrabenden Doppelnamen zieren. Wenn Frau Henkel aus Bottrop ihre Rassefamilie schlicht »von Hohenstein-Zollernburg« nennt (was eher die Regel ddnn die Ausnahme ist), liegt der Verdacht nahe, daß hier soziale Defizite ausgeglichen werden sollen. Zu deren Kompensation wird eine Nobilitation einfach selbst vorgenommen.

In den meisten Katzenverbänden werden Hauskatzen zwar als Rasse anerkannt. Sie heißen dann entweder European, Europäisch Kurzhaar oder schlicht Hauskatze, und es existieren (wie bei den »adligen« Verwandten) Standards zur ihrer Bewertung. Erwachsene Tiere sollten aber möglichst kastriert werden, denn »die Hauskatze soll kein Rassemischling sein«, wie es im Standard der World Cat Federation mit Hauptsitz in Essen heißt. Allerdings scheint es mit der Zucht der Hauskatze nicht weit her zu sein, sie ist »praktisch zum Erliegen gekommen« bedauert eine Fachzeitschrift. (Was niemanden ernsthaft wundert, wenn man gleichzeitig dazu auffordert, erwachsene Tiere zu kastrieren!) Und weiter im Text: »Wenn nichts für den Fortbestand typvoller Europäisch Kurzhaar-Katzen getan wird, steht es schlecht um ihre Zukunft.« Wer mit Hauskatzen zusammenlebt, kann über diese Sorge nur den Kopf schütteln. Es ist doch wohl eher als positives Signal zu werten, wenn diese Katzenverbände und ihre Züchter die Finger von der Hauskatze lassen. Die Schöpfer von tauben, zwergwüchsigen, verkrüppelten, haar- oder schwanzlosen »Rassen« sind stolz auf die kilometerlangen Stammbäume ihrer Kreaturen und auf die Urkunden, Auszeichnungen und Trophäen, die auf fragwürdigen Ausstellungen en masse ausgeteilt werden – sie sollen lieber bei ihren »Rassen« bleiben und nicht auch noch die gute alte Hauskatze verschandeln. Es ist bei der Katzenzucht leider schon genug Unheil angerichtet worden, dem endlich Einhalt geboten werden müßte.

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Über Katzensteuer

In Zeiten großer wirtschaftlicher Schwiertigkeiten und Turbulenzen wundert es ein wenig, dass nicht längst von Seiten der Steuerverwaltung die Forderung nach Einführung einer Katzensteuer erhoben worden ist. Denn diese Idee taucht mit schöner Regelmässigkeit immer wieder einmal auf. Hundehalter fordern sie im Interesse einer Gleichbehandlung und Finanzpolitiker denken mit €-Zeichen in den Augen an die fast 220 Millionen, die die Hundesteuer jährlich einbringt. Bei der Erörterung dieser Frage darf allerdings nicht ausser acht gelassen werden, dass das Recht zur Einführung einer Katzensteuer keinesfalls beim Bund, sondern bei den Ländern, genauer bei den Gemeinden, liegt – jedenfalls heute.

Die Hundesteuer wurde erstmalig 1810 zur Finanzierung des Preußischen Heeres eingeführt, und auch eine Katzensteuer hat es, obwohl fast vergessen, in der Vergangenheit schon gegeben. Seit 1894 galt in Emmerzhausen (Westerwald): »Die erste Katze ist frei, die zweite kostet eine Reichsmark und die dritte Katze wird mit drei Reichsmark besteuert. Zwei Monate nach der Geburt werden die Katzen steuerpflichtig.« Diese Regelung wurde allerdings schon 1902 wieder aufgegeben. »Als Maßnahme im Kampf gegen unerwünschte Mitesser in den Notzeiten des Krieges« wurde im Oktober 1916 in Dresden eine Katzensteuer von zehn Reichsmark eingeführt. Auch diese Steuer hatte nicht lange Bestand.

Im Jahr 2003 ist Deutschland allerdings an der neuerlichen Einführung einer Katzensteuer mit Bravour vor- beigekommen: Mit nur einer Gegenstimme beschloß der Rat der schwäbischen Gemeinde Gäufelden den Antrag einer sich belästigt fühlenden Einwohnerin auf Erhebung einer Katzensteuer »nach gründlicher Diskussion« abzulehnen. Interessant sind die Entscheidungsgründe. So heißt es im offiziellen Protokoll der Sitzung, »eine Katzensteuer kann auch nicht ohne weiteres mit der Hundesteuer verglichen werden«, denn »die Hundesteuer soll dazu beitragen, die Hundehaltung einzudämmen und die damit verbundenen Belästigungen und Gefahren für die Allgemeinheit (z. B. Verschmutzung von Gehwegen, Kinderspielplätzen, Grünanlagen usw., Gefährdung von Kindern, Fußgängern, Lärmbelästigung) zu verringern.« Schon das Argument der Verschmutzung überzeugt, denn die Beseitigung von Hundekot verschlingt erhebliche Mittel. In Berlin beispielsweise sind jährlich über 20 000 Tonnen an »Hundehäufchen« zu entsorgen. Ein weiterer Beweggrund der ablehnenden Entscheidung war die Tatsache, dass »sich eben anders als bei Hunden nicht alle Katzen ohne weiteres einem bestimmten Haushalt zuordnen« lassen. »Ebenfalls von Bedeutung für die Entscheidung des Gemeinderats waren die zu erwartenden Verwaltungskosten. Bei einer Katzensteuer würde der Erhebungs- und Verwaltungsaufwand in keinem Verhältnis zum Ertrag stehen.« Und dann heißt es in dem Protokoll abschließend und weise: »Die Abwehr der Katzen muss dem privaten Grundstückseigentümer überlassen bleiben. Es können nicht alle Probleme, auch wenn sie für den einzelnen sehr erheblich sind, durch Maßnahmen des Staates gelöst werden.« Der Rat der Gemeinde Gäufelden hat uns vom Glauben an die grundsätzliche Möglichkeit vernünftigen Verwaltungshandelns überzeugt.

Auch der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude hat sich sehr weise und überzeugend zum Thema der Katzensteuer geäußert: »Wenn Katzen etwas von steuerlichen Fragen verstünden, was getrost ausgeschlossen werden darf, wären sie allenfalls darüber befremdet, dass die Katzenhaltung nicht vergnügungssteuerpflichtig ist.«

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Über Katzenzucht (2/3)

Gespenstige Entgleisungen der modernen Katzenzucht

In dem Standardwerk eines englischen »Experten« über Zuchtkatzen wird beispielsweise die 1960 im Südwesten Englands entstandene Devon Rex mit dem »Aussehen eines elfenhaften Clowns« verglichen, wie immer man sich einen solchen vorzustellen hat. Das Problem dieser Katze mit ihrem gekräuselten Fell besteht unter anderem darin, daß ihre ebenfalls gekräuselten Schnurrhaare leicht abbrechen. Wer über die Bedeutung der Vibrissen für die Orientierungsfähigkeit der Katze informiert ist, der kann ermessen, was diesen Tieren damit angetan wird.

Zur gleichen Zeit entdeckte in Amerika die Cymric das Licht der Welt. Hierbei handelt es sich um eine langhaarige Variante der eigentlich kurzhaarigen und vor allem schwanzlosen Manx-Katze. Die Schwanzlosigkeit von Katzen, eine böse Laune der Natur, kann sich in großen Populationen gewöhnlich nicht durchsetzen. Doch in isolierten Gruppen, beispielsweise auf einer Insel, kann sich dieses Merkmal mangels »Blutauffrischung« und unter besonderen Bedingungen zum regionalen Standard entwickeln. Das ist auf der Isle of Man vermutlich schon vor dem 18. Jahrhundert geschehen. Diesen benachteiligten Geschöpfen fehlt ein wichtiges Instrument ihrer Balance und Kommunikation. Hermann Masius stellte in seinen Naturstudien 1852 dazu fest: »Der lange, schmeidige Schwanz ist kein müßiger Schnörkel. Er ist voll feinster Empfindung, gleichsam der Seele anderer Pol und eben deshalb ein so bedeutsam pantomimisches Glied.« Warum man die schwanzlose Manx seit über 100 Jahren systematisch züchtet, bleibt deshalb ein Rätsel – zumal sie extrem krankheitsanfällig ist. Ihre moderne, langhaarige Variante gefällt den Züchtern und ihren Verbänden vor allem dann, wenn ihre Beine »vorne viel kürzer als hinten« sind, weshalb ihr Gang eher einem Hoppeln oder Hüpfen gleicht denn dem Schreiten oder Schleichen der gewöhnlichen Hauskatze. Man möchte dieser Katze nicht bei der Jagd zuschauen.

Scottish Fold. Abbildung aus: Bruce Fogle, »Katzen – Die neue Enzyklopädie«, München 2002

1961 entstand in Schottland die Scottish Fold, eine Rasse, deren Eigentümlichkeit in nach vorne gefalteten Ohren, also eng am Kopf anliegenden Ohrmuscheln liegt, so als würde sie eine Badekappe aufhaben. Es ist eine Katze mit betont rundem Kopf und großen Augen, deren Aussehen eine immerwährende Kindlichkeit vorgaukelt. Während die ersten Exemplare dieser Rasse eine einfache Faltung an den Ohren aufwiesen, sind bei den heutigen Vertretern die Ohren schon dreifach eng gefaltet. Das Gehör ist eines der wichtigsten Sinne der Katze. Wie diese Deformation das Leben und Erleben sowie den Radius der Katze einschränkt, läßt sich leicht ermessen.

Sphynx, Privatfoto. Quelle: Google Bilder

In der Natur kommen sie so gut wie nie vor, und falls doch, sind sie kaum überlebensfähig: haarlose Katzen. 1978 haben Züchter in Nordamerika und Europa aus den haarlosen Nachkommen eines kanadischen Muttertieres die Sphynx gezüchtet. Genauer muß man sagen, daß diese Rasse fast haarlos ist, denn sie besitzt einen sehr dünnen Flaum. Da dessen Haarfollikel nach wie vor Talg produzieren, müssen viele Sphynx-Katzen, da sie über kein Haarkleid verfügen, das den Talg absorbieren könnte, täglich mit Fensterleder abgerieben werden. Ganz abgesehen davon ist diese »Rasse« extrem hitze- und kälteempfindlich und muss zumeist das Haus hüten – sie kann sogar einen Sonnenbrand bekommen!

Munchkin. Abbildung aus: Bruce Fogle, »Katzen – Die neue Enzyklopädie«, München 2002

Ende der 1980er bzw. Anfang der 90er Jahre entstand die Munchkin als »edle« Lang- und Kurzhaarkatze. Beide Variationen sind insofern verzwergte Katzen, als ihre Beine wesentlich verkürzt sind. Der von den Zuchtverbänden vorgeschriebene Rassestandard für die Munchkin sieht drei Größen vor: »Standard«, »Superkurz« oder »Teppichkehrer« (im Ernst!).

Känguru-Katze, Privatfoto. Quelle: Google Bilder.

Vor ein paar Jahren sorgte die sogenannte Känguruh-Katze aus Amerika für Schlagzeilen. Sie zeichnet sich durch gezüchtete, verkümmerte Vorderpfoten aus und muß sich beim Sitzen zusätzlich mit dem Schwanz abstützen, um nicht umzufallen. Wenn sich diese Katzen fortbewegen, hüpfen sie wie ein Känguruh. Die texanische Züchterin dieser armen Monstrosität, Vicky Ives Speir, warb auf ihrer (inzwischen abgeschalteten) Homepage mit dem Argument der extremen Seltenheit für ihre »mutant kitties«.

Inzestuöse Aspekte der Rassekatzenzucht

Aufschlußreich ist die Tatsache, daß man von fast allen diesen Rassen genaue Kenntnis über die ersten Mutanten, ihre Mütter und die menschlichen Besitzer hat. Auch über die weiteren Zuchtlinien ist man relativ genau informiert, was nicht wundert, denn »nur durch Inzucht konnte die Devon Rex erhalten werden«, wie der schon erwähnte, englische »Experte« feststellen mußte. Es sind ja alle modernen Rassekatzen irgendwann durch ein Stadium extremer Inzucht gegangen. Bei seltenen Rassen sind alle lebenden Tiere noch eng miteinander verwandt. Dies führt, so der berühmte Verhaltensforscher Paul Leyhausen, »immer wieder zu Nachkommen, die man nur als debil bezeichnen kann«. Die Züchter scheint es nicht weiter zu stören.

Nun wird spätestens an dieser Stelle mancher einwenden, daß es überall schwarze Schafe gibt, und das gelte wohl auch für Katzenzüchter. Ich akzeptiere diesen Einwand gern, wenn gleichzeitig eingeräumt wird, daß die Herde der Katzenzüchter von einer großen Anzahl schwarzer Schafe durchdrungen ist.

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