Archiv der Kategorie: Krimikatze

Wie Kater Tiger dabei half, ›Americas Most Wanted‹ Gangster zu finden

Beginnen wir das neue Jahr doch mit einer Gangster-Geschichte. Mit einer so aufsehenerregenden Geschichte, dass sie als Vorlage für einen Film diente: The Departed von Martin Scorsese mit Jack Nicholson, Leonardo DiCaprio und Matt Damon – also einer Hollywood-Produktion vom Feinsten. Und beginnen wir diese Geschichte an ihrem Ende.

Am 21. Juni 2011 schaltete die ehemalige Schönheitskönigin und Schauspielerin Anna Bjornsdottir in ihrer isländischen Heimatstadt Reykjavik den Fernseher an und sah sich eine Sendung über Ermittlungsmethoden des FBI auf CNN an. In dieser Sendung wurde auch ein Fahndungsplakat gezeigt, auf dem die Konterfeis von James Bulgar (Spitzname: Whitey) und seiner Frau Catherine Greig abgebildet waren. Die Fahndung galt in erster Linie James Bulgar, dessen Strafregister fast so lang ist wie das Strafgesetzbuch selbst. Mindestens 19 Morde werden ihm zur Last gelegt, dazu Erpressung, Bestechung, Drogenhandel, organisierte Krimininalität usw. usw. Fast alle Straftaten beging der Verbrecher in seiner Heimatstadt Boston an der amerikanischen Ostküste. Nach dem Tod von Osama Bin Laden avancierte der inzwischen 82-jährige Whitey zeitweise sogar zum Americas Most Wanted, und das ist eine fragwürdige, aber ziemlich seltene Ehre. Anna Bjornsdottir also sah das Fahndungsplakat im Fernsehen, griff sofort zum Telefon (es ging immerhin um eine Belohnung von 2,1 Millionen US-Dollar) und gab dem FBI die entscheidende Information. Einen Tag später schlug die amerikanische Bundespolizei zu. Das Gangsterpaar hatte 16 Jahre unerkannt in einem kleinen Appartment gelebt. Die Festnahme verlief reibungslos, in der Wohnung fanden die Beamten 30 Schußwaffen und 800.000 US-Dollar in bar. James Bulgar und Catherine Greig sitzen selbstverständlich immer noch im Gefängnis, in den nächsten Wochen beginnt ihr Prozeß. Interessant an dieser Geschichte ist hier vor allem, wie es zur Verhaftung des Paares kam. Und jetzt kommt ein Kater namens Tiger ins Spiel.

Als Tigers menschlicher Mitbewohner stirbt, wird der graugetigerte Kater von einem Tag auf den anderen obdachlos. Das ist nun schon eine ganze Reihe von Jahren her. Der Streuner organisiert seinen Tagesablauf neu und legt dabei Wert auf absolute Regelmäßigkeit, so wie die meisten Feliden. Zweimal am Tag, pünktlich um 6:00 und um 18:00 Uhr, führt ihn sein Weg an einem dreistöckigen Appartmenthaus in der Third Street in Santa Monica, Los Angeles, vorbei. Eines Tages, und auch das liegt schon einige Jahre zurück, öffnet sich eine Tür in dem Appartmenthaus und eine grauhaarige Frau tritt vor die Tür. Kater Tiger stutzt einen Moment, aber dann sieht er, dass die Frau eine Schale mit leckerem Futter in der Hand hält und in einer Ecke abstellt. Seitdem braucht der Kater um sein Futter keine Revierkämpfe mehr zu führen. Zweimal täglich füttert ihn die nette, grauhaarige Frau. Jeden Tag, jede Woche, jeden Monat. Jahrelang. Sie macht nie Urlaub.

Auch Anna Bjornsdottir lebt zeitweise in Santa Monica, in der Nachbarschaft dieses Appartmenthauses. Sie ist in diesen Jahren mit einem isländischen Rockstar verheiratet und verkehrt in den angesagten Kreisen der Stadt. Eines Tages beobachtet sie, wie die grauhaarige Frau den Kater füttert und ist von dieser Geste angerührt. Sie kommt mit der älteren Dame ins Gespräch und freundet sich schließlich mit ihr an. Die beiden besuchen sich gegenseitig nie. Sie treffen sich immer nur in der Ecke, in der Kater Tiger gefüttert wird. Oft geht Anna Bjornsdottir auch nur an dem Haus vorbei. Sie grüßt dann ihre älteren Freundin von der Straße. Manchmal sieht sie auch deren Mann. Der arme Mensch ist dement, erzählt die grauhaarige Frau ihrer Freundin, und verläßt ihr Appartment deshalb nie. Nur hin und wieder, um die Fütterung des Katers zu beobachten. Denn auch er hat den Kater Tiger ins Herz geschlossen.

Am 21. Juni 2011 sieht Anna Bjornsdottir ihre Freundin im Fernsehen, auf einem Fahndungsplakat, und ruft das FBI an. Sie kennt das Appartmenthaus, in dem sich Americas Most Wanted seit 16 Jahren verbirgt …

 

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2. Berliner Katzen-Krimi-Nacht

Die Schwarze Tatze hat jetzt das Programm der 2. Berliner Katzen-Krimi-Nacht veröffentlicht: http://bit.ly/rBuRVL und dafür sogar eine eigene Einladungspostkarte spendiert bekommen …

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Vorschau

1. Berliner Katzen-Krimi-Nacht

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Stadt | Land | Buch (21.-28. November 2010, vormals »Berlin-Brandenburgische Buchwochen«) des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels in Berlin wird in diesem Jahr – durch meine Anregung – zum ersten Mal die 1. Berliner Katzen-Krimi-Nacht veranstaltet. 6 Autorinnen und Autoren (drei bekannte Namen und drei vielversprechende Newcomer) werden in drei Runden aus veröffentlichten und unveröffentlichten Katzenkrimitexten lesen, umrahmt von klassischer und moderner Musik – natürlich zum Thema Katzen. Dazwischen gibt es ausreichende Pausen zum Essen, Trinken und miteinander (und den Autorinnen und Autoren) ins Gespräch zu kommen. Wir sind derzeit noch in der Planung, deshalb schaut hier ruhig öfter mal rein (oder abonniert den Blog) um zeitnah genaueres über Tag, Ort, Uhrzeit, Programm usw. zu erfahren.

Ich wünsche allen Gästen heute schon einen mordsspannenden Abend!

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Ramón Díaz Eterovic

Mit Ramón Díaz Eterovic (* 1956) betrat 1987 ein literarisches Schwergewicht die Bühne der Katzenkriminalliteratur. In diesem Jahr erschien mit Die Stadt ist traurig (La ciudad está triste) der erste Heredia-Roman des chilenischen Schriftstellers kroatischer Abstammung. Heredia ist ein meist beschäftigungsloser Privatdetektiv in Santiago mit einer ausgeprägten Neigung zu melancholischen Momenten und manchmal exzessivem Alkoholgenuß. Ein weißer Kater mit grünen Augen, Simenon, spielt die zweite Hauptrolle in den bisher zehn Bänden, die in der Tradition der Schwarzen Serie amerikanischer Kriminalromane à la Raymond Chandler und Dashiell Hammett stehen.

Simenon ist einerseits ein wirklicher Kater, der sich »nach einem ruhigen Eckchen sehnt, in dem er sich zu seinem Kreis, dem Symbol des Guten und Bösen, des Beginns und Endes, zusammenrollen konnte, wie die Ägypter vor Urzeiten dachten, als sie die Katze zu einer Gottheit erhoben.« Gleichzeitig ist Simenon aber auch des Detektivs Alter Ego, sein moralischer Sparringpartner. Heredia spricht oft mit seinem Kater, und der Kater antwortet – aber nicht in Wirklichkeit. Eterovic läßt keinen Zweifel daran, daß die Antworten des Katers aus Heredias Kopf stammen. Wenn er mit seinem Kater spricht, führt er ein Zwiegespräch mit sich selbst.

Mit dieser doppeldeutigen Katzengestalt variiert Eterovic den Ahnvater der modernen Katzenliteratur, E.T.A. Hoffmann, der mit seinen Lebensansichten des Katers Murr 1820 die Katze in den Roman überhaupt erst eingeführt hat. Diese zweifache Konzeption des Katers wird so wunderbar leicht ausgeführt, daß sie niemals konstruiert oder aufgesetzt daherkommt. Davon abgesehen, sind die Romane von Ramón Díaz Eterovic ungemein spannend und schon deshalb unbedingt empfehlenswert. Leider wurden bisher nur zwei Titel ins Deutsche übersetzt (Engel und Einsame und Kater und Katzenjammer), die zudem bei Diogenes nicht mehr lieferbar, aber über das ZVAB zu beziehen sind. Und es schaut derzeit leider nicht danach aus, daß weitere Romane des Chilenen ihren Weg in die deutsche Sprache finden werden.

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Charlie Huston

Im Jahr 2004 erschien mit Der Prügelknabe der erste Roman einer Trilogie des amerikanischen Schriftstellers Charlie Huston. Es beginnt ganz harmlos mit der Bitte eines Nachbarn, der Ich-Erzähler möge doch einige Tage auf seine Katze aufpassen. Hank Thompson sagt zu – er kann schließlich nicht ahnen, daß im Katzenkäfig unter der Wolldecke ein Schlüssel versteckt ist, daß dieser Schlüssel zu vier Millionen Dollar in bar führt und daß mehrere Parteien mit sehr ausgeprägter krimineller Energie hinter dem Schlüssel her sind. Und so beginnt ein rasant erzählter Alptraum, der Hank Thompsons bis dahin unauffälliges Leben vollständig auf den Kopf stellt. Das Leben des Katers Bud übrigens auch. Die Gangster brechen dem Kater sogar das linke Vorderbein, um Hank zur Herausgabe des Schlüssels zu bewegen, und Bud muß deshalb zeitweise mit einem Gipsbein durch den Roman humpeln. Hank flieht schließlich (mit den vier Millonen Dollar) nach Mexiko, und obwohl es ein großes Risiko ist, nimmt er Bud mit. Im zweiten Band der Trilogie, Der Gejagte, wird Hank von den Gangstern, die den ersten Band überlebt haben (und das sind nicht viele!), aufgespürt – und erneut begibt sich Hank auf eine atemberaubende Flucht. Diesmal muß er Bud bei Freunden zurücklassen und wird ihn nie mehr wiedersehen. Selten wurde eine Katze im Krimi so liebevoll in Szene gesetzt, wie in diesen beiden Romanen.

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